"Kampagne" gegen Pius: Nuntiatur lehnt Umbenennung von Pacelliallee ab
In der Diskussion um eine mögliche Umbenennung der Berliner Pacelliallee hat sich die Apostolische Nuntiatur für eine Beibehaltung des Straßennamens ausgesprochen. "Mit Eugenio Pacelli, der von 1920 bis 1929 Apostolischer Nuntius im Deutschen Reich war und ab 1925 in Berlin die erste Apostolische Nuntiatur bezogen hatte, wurde ein herausragender Diplomat und ein unbedingter Freund Deutschlands und Berlins durch die Namensgebung der 'Pacelliallee' geehrt", teilte die vatikanische Botschaft am Dienstagvormittag auf Anfrage von katholisch.de mit.
Im Zweiten Weltkrieg habe Pacelli als Papst Pius XII. (1939-1958) "alles, was ihm möglich war, getan, um Leid und Not von Menschen zu lindern, ohne Ansehen von Person, Herkunft oder Religion, und um zum Frieden zu bewegen", so die Nuntiatur weiter. Dies sei belegt und gehöre zum Stand der Geschichtsforschung. "Als Berlin in Trümmern lag, hat der Papst seine Verbundenheit mit dieser Stadt und ihren Menschen zum Ausdruck gebracht, als er am 18. Februar 1946 den Bischof von Berlin, Konrad Graf von Preysing, zum Kardinal erhob und damit nicht zuletzt dessen Wirken im Widerstand gegen die nationalsozialistische Ideologie ehrte. Es ist daher recht und billig, wenn gerade in Berlin eine Straße den Namen von Eugenio Pacelli trägt", erklärte die diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls.
Botschaft reagiert auf Umbenennungsinitiative zweier Historiker
Die Botschaft reagierte mit ihrer Stellungnahme auf eine am Wochenende bekannt gewordene Initiative der beiden Berliner Historiker Ralf Balke und Julien Reitzenstein. Diese fordern mit einer Petition, die im Stadtteil Dahlem gelegene Pacelliallee nach der bislang einzigen israelischen Ministerpräsidentin in Golda-Meir-Allee umzubenennen. Ihre Forderung begründen die Historiker unter anderem mit antisemitischen und frauenfeindlichen Aussagen Eugenio Pacellis/Pius XII. sowie mit dessen Verhältnis zum Nationalsozialismus. Unterstützung fand die Initiative beim Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein. Dieser sagte der Tageszeitung "Die Welt", die Debatte um die Umbenennung rücke "die umstrittene Rolle in den Fokus, die Papst Pius XII. während des Zweiten Weltkrieges einnahm. Er schwieg zum Holocaust und zum Mord an den Sinti und Roma, von denen viele dem katholischen Glauben angehörten, oder protestierte zumindest nicht vernehmlich". Und weiter: "Die Diskussion über die Umbenennung bietet Gelegenheit, über das Verhalten der katholischen Kirche im Zweiten Weltkrieg und die Aufarbeitung nach 1945 eine breitere Debatte zu führen."
Die Nuntiatur erkannte gegenüber katholisch.de zwar an, dass man in der Öffentlichkeit über Person, Wirken und Werk von Eugenio Pacelli/Pius XII. geteilter Meinung sei. Die Seriosität gebiete es jedoch, die noch ausstehenden Ergebnisse der historischen Forschung abzuwarten. "Gerade erst wurden die noch unter Verschluss stehenden Akten aus dem Pontifikat Pius XII. im Apostolischen Archiv des Vatikan geöffnet und der Wissenschaft zur Erforschung zugänglich gemacht. Eine gründliche Aufarbeitung des Bestandes steht noch aus und wird angesichts der Corona-Pandemie verzögert", erklärte die Vertretung.
Die Vorwürfe gegen Eugenio Pacelli/Pius XII. bezeichnete die Botschaft als "hinlänglich bekannt". Sie trügen "lange schon Züge einer Kampagne" und es müsse ihnen widersprochen werden. "Vieles wurde in der Forschung bereits bearbeitet. Die Ergebnisse liegen überdies auch in deutscher Sprache vor. Wenn die Forderung erhoben wird, in Berlin keine Straße mehr nach Eugenio Pacelli zu benennen, weil er nicht 'vernehmlich genug' war, so ist das schlicht unseriös", erklärte die Nuntiatur. Mit Blick auf den Vorschlag, die Pacelliallee nach Golda Meir zu benennen, verwies die diplomatische Vertretung auf eine Aussage der Politikerin nach dem Tod Pius XII. Damals habe sie den Papst als denjenigen gewürdigt, "der in der Stunde der Not und der Verfolgung für unser Volk die Stimme erhoben hat".
Auch der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf sprach sich gegenüber katholisch.de "zum jetzigen Zeitpunkt strikt" gegen eine mögliche Umbenennung der Pacelliallee aus. Die Entscheidung über eine Änderung des Straßennamens solle "nicht voreilig und ohne eine umfassende historische Beurteilung von Eugenio Pacelli beziehungsweise Papst Pius XII. getroffen werden", forderte der Historiker.
Wolf, der seit März ein siebenköpfiges Forscherteam leitet, das gemeinsam mit anderen Historikern im Vatikan die neu geöffneten Archive zu Pius XII. erforscht, begrüßte zwar den vom Antisemitismusbeauftragten Klein geäußerten Vorschlag einer breiten Debatte. Zugleich sprach er sich mit Blick auf die Beurteilung Pacellis/Pius XII. dafür aus, die jetzt zugänglichen Quellen im Vatikan mit "historischer Präzision" auszuwerten; dieser Arbeit müsse man jedoch Zeit geben. "Wir haben immer gefordert, dass der Vatikan seine Archive zu Pius XII. öffnet. Das sollten wir jetzt nutzen und erst anschließend sollte auf Basis der Fakten darüber beraten werden, welcher Umgang und welches Gedenken in Bezug auf Pius XII. angemessen sind", sagte Wolf.
Straße wurde 1949 in Pacelliallee umbenannt
Ähnlich äußerte sich der Leiter des Katholischen Büros Berlin-Brandenburg, Gregor Engelbreth. Durch die Öffnung der Archive hätten Historiker jetzt die Möglichkeit, "sich einen umfassenden Überblick über die Tätigkeit des Papstes zu verschaffen, und eine wissenschaftlich fundierte Würdigung vorzunehmend, die sich – abweichend von der bisherigen Lage – nicht nur auf einzelne Quellen oder persönliche Erinnerungen stützt."
Eugenio Pacelli war ab 1917 zunächst in München und später in Berlin Nuntius und damit Botschafter des Heiligen Stuhls in Deutschland. 1939 wurde er zum Papst gewählt und gab sich den Namen Pius XII. In der Berliner Pacelliallee war von 1946 bis 1955 das Bischöfliche Ordinariat, die Verwaltung des Bistums Berlin, untergebracht. Die Straße hieß ab 1909 zunächst Cecilienallee, ehe sie 1949 auf Veranlassung des damaligen Berliner Oberbürgermisters Ernst Reuter den Namen Pacelliallee erhielt. Damit war sie neben der Clayallee eine der wenigen Straßen in West-Berlin, die nach einer damals noch lebenden Person benannt wurde.